Das Verschwinden der Insekten
In der Sommerferienzeit fuhr ich bei schönstem Wetter von Selk ins Ruhrgebiet und etwas später wieder zurück – rund 900 km. Während und nach meiner Fahrt entdeckte ich auf der Windschutzscheibe nur ein paar vereinzelte Insektenreste. Erlebt ihr das auch? Ich erinnere mich daran, wie vor gut 30 Jahren die Autoscheiben nach einer solchen Fahrt im Sommer voll von zerschellten Insekten waren. Damals war ich als Kind mit meinen Eltern unterwegs und wir mussten die Windschutzscheibe während der Pausenstopps reinigen, weil das Sichtfeld sonst stark eingeschränkt war. Heute sieht die Scheibe fast unberührt aus. Die Wissenschaft bestätigt diesen Eindruck: etwa 80% der Insektenbestände sind allein in Naturschutzgebieten verschwunden – außerhalb der Schutzgebiete sind die Rückgänge vermutlich noch gravierender. Und dies innerhalb von ein paar wenigen Jahrzehnten. Wahnsinn! Besonders betroffen sind ehemals häufige Arten (wie der auf dem Foto zu sehende Hauhechel-Bläuling), die natürlich auch in den Ökosystemen aufgrund ihrer Anzahl die wichtigste Rolle spiel(t)en.
Warum sollte uns dies Sorgen bereiten?
„In einem Ökosystem gibt es fein abgestimmte Wechselbeziehungen zwischen den darin lebenden Organismen“, sagt meine Partnerin Franziska, die Ökologin ist. „Die Mitglieder einer solchen Lebensgemeinschaft beeinflussen sich gegenseitig, indem sie z.B. die geeigneten Umweltbedingungen und Lebensräume für andere Organismen schaffen oder wiederum anderen Organismen als Futter dienen. In jedem Nahrungsnetz können Mitglieder der höheren Ebene (z.B. Pflanzen- oder Fleischfresser) nur existieren, wenn andere Organismen ihre artspezifische Nahrung herstellen bzw. bilden“. Insekten haben genau eine solche Schlüsselfunktion in vielen verschiedenen Lebensräumen und Ökosystemen. Ohne Insekten funktionieren diese nicht:
Bestäubung - Etwa 75% der von uns genutzten Pflanzenarten sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Dabei spielen nicht nur (Wild-) Bienen eine bedeutende Rolle, sondern auch Schmetterlinge, Fliegen, Käfer und Wespen tragen maßgeblich zur Bestäubung und Vermehrung von Blütenpflanzen bei. Ohne sie alle wird´s eng mit Obst und Gemüse, mit Kaffee, Vanille und Kakao. Auch Baumwolle wäre nicht mehr verfügbar.
Nährstoffkreislauf und Bodenfruchtbarkeit - Viele Insektenarten zersetzen organische Materie. Sie sorgen dafür, dass Aas, abgestorbene Pflanzen sowie auch Kot abgebaut und die Nährstoffe wieder in den Boden zurückgeführt werden. Dies ist entscheidend für die Bodenfruchtbarkeit und das Pflanzenwachstum.
Nahrungsquelle – Viele Tierarten können ohne Insekten nicht überleben. Dazu gehören die meisten Vogelarten, Igel, Amphibien wie Frösche und Molche, Fledermäuse, Spinnen, Eidechsen. In Folge des Insektensterbens sehen wir auch bei diesen Tiergruppen heute schon starke Bestandsrückgänge.
Schädlingskontrolle – Räuberische Insekten halten Populationen von Schadinsekten in Schach. Sie verhindern, dass bestimmte Pflanzenfresser überhandnehmen und so z.B. Ernten gefährden. Florfliegen und Schlupfwespen sind hier gute Beispiele, ihre Larven kontrollieren effektiv Schädlingspopulationen.
In den folgenden Beiträgen möchte ich mich auf die Spurensuche nach den verschiedenen Gründen für das Insektensterben machen und einmal genau hinschauen, welche Möglichkeiten wir im Kleinen und hier vor Ort haben, diesem Trend entgegenzuwirken.
Bild zur Meldung: Ehemals häufig: der Hauhechel-Bläuling (Männchen)